Missbrauch und Misshandlung:
Fallzahlen 2019

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Kategorien: Aktuelles

Kriminalstatistik Kindesmisshandlung Missbrauch

Missbrauch und Misshandlung von Kindern: Die dramatischen Fallzahlen 2019

Während die Folgen des coronabedingten Lockdowns für den Kinderschutz noch bei weitem nicht absehbar sind, schockieren die Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik aus 2019. Insbesondere die konstant hohen Zahlen zu sexueller Gewalt, sexuellem Missbrauch und Kinderpornographie sind alarmierend: 15.936 Kinder wurden im Vorjahr Opfer von sexueller Gewalt oder einem Versuch davon.

Gegenüber den Fallzahlen von 2018 (14.606) bedeutet dies eine Zunahme von 9%. Ebenfalls um 9% gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind die Opferzahlen von sexuellem Missbrauch von 14.410 in 2018 auf 15.701 in 2019. Besonders dramatisch ist der Anstieg von 20% bei den Fallzahlen zu Vergewaltigung und Nötigung, die 2018 bei 196 lagen und 2019 auf 235 Fälle gestiegen sind.

Die nahezu ungefilterten Möglichkeiten, im Internet zu Kindern Kontakt aufzunehmen, führen auch zu stets steigenden Zahlen im Bereich Herstellung, Besitz und Verbreitung von Kinderpornographie. Hier ist besonders die Schwierigkeit dramatisch, Bilder aus dem Internet gänzlich zu löschen. Ein Missbrauch kann so noch über einen langen Zeitraum hinweg fortgesetzt werden. In Zahlen bedeutet das: 2018 waren es 7.449 erfasste Fälle, im Jahr 2019 12.262, was eine Steigerung von 65% bedeutet.

Soziale Netzwerke und eine falsche Online-Identität ermöglichen es, Beziehungen zu Mädchen oder Jungen aufzubauen und deren Vertrauen für missbräuchliche Zwecke zu missbrauchen. Sexuelle Chatgespräche, das Überreden zum Versenden von Nacktfotos oder sich vor einer Webcam auszuziehen wird Cybergrooming genannt. Strafrechtlich fällt dieser Punkt unter das Einwirken auf Kinder mit technologischen Mitteln. Auch hier ist ein Anstieg von 34% zu verzeichnen, während 2018 2.439 Fälle angezeigt wurden, waren es 2019 bereits 3.264.

Deutlich zugenommen hat auch die Verbreitung von kinderpornographischem Material durch Kinder und Jugendliche selbst, vor allem durch Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Facebook. Im Vordergrund stehen hier allerdings nicht pädophile Motive, sondern Gedankenlosigkeit, fehlende Scham, Sensationslust und gesellschaftliche Verrohung. 12% der jugendlichen Tatverdächtigen waren unter 14 Jahren, 2018 waren es noch 8%. Zwischen 14 und 18 Jahren waren 23% der jugendlichen Tatverdächtigen, dem gegenüber stehen 13% aus dem Jahr 2018. 41% der Tatverdächtigen im Bereich Kinderporonographie waren unter 21 Jahren, im Jahr 2018 waren es 26%.

  • 15.936 Kinder wurden im Vorjahr Opfer von sexueller Gewalt oder einem Versuch davon

  • 15.701 Kinder wurden Opfer von sexuellem Missbrauch

  • In 235 Fällen kam es zu Vergewaltigung / Nötigung

  • 12.262 Fälle von im Bereich Herstellung, Besitz und Verbreitung von Kinderpornographie

  • 3.264 mal kam es zu Cybergrooming 

  • 20% mehr Anrufe bei Sorgentelefonen und Beratungsstellen

Was die aktuelle Corona-Krise betrifft: Auch wenn es von manchen Stellen heißt, es wäre keine signifikante Zunahme von Missbrauch und Misshandlung an Kindern zu verzeichnen, so sind Aussagen dieser Art mit großer Vorsicht zu interpretieren. Aufgrund des Corona-Lockdowns konnten sich viele Täter den ganzen Tag über zu Hause aufhalten und leichter und unbemerkter Gewalt an Kindern ausüben. Manche wurden möglicherweise auch durch die psychische Ausnahmesituation in der Corona-Krise zu Tätern, wenn Existenzängste und beengter Wohnraum die Emotionen hoch gehen ließen. Für viele Kinder und Jugendliche bedeuteten die Corona-Einschränkungen auch, keinen Zugang zu Hilfsangeboten zu haben. Sorgentelefone und telefonische Beratungsstellen verzeichneten einen Anstieg der Anrufe um rund 20% seit der Krise.

Für viele Kinder sind jedoch die Ansprechpersonen, wie z.B. eine Lehrperson, der sie vertrauen, Erzieher/innen, Trainer im Sportverein etc. durch die Einschränkungen weggefallen. Wie hoch die Dunkelziffer von Missbrauchsfällen hinter den Türen des familiären Umfelds ist, kann derzeit nicht abgeschätzt werden.

Aus diesem Grund braucht es eine aufgeklärte, verantwortungsbewusste Bevölkerung, denn wer schweigt, wegsieht oder relativiert, macht sich mit schuldig.

Strafbare Handlungen gehören zur Strafanzeige gebracht!

Der Schutz von Kindern und Jugendlichen sollte zu unser aller Aufgabe gehören und auch in der Politik fest verankert sein.

(Quelle: BKA)

Marco Breitenstein Mediator, Dozent, Verfahrensbeistand
Marco Breitenstein

Marco Breitenstein ist Vormund und Verfahrensbeistand an vielen Amtsgerichten in Hessen und Rheinland-Pfalz. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind die systemisch-lösungsorientierte Arbeit in hochkonflikthaften Familiensystemen und im Umfeld psychischer Erkrankungen oder Beeinträchtigungen.

Als Dozent und Speaker ist Marco Breitenstein vermittelt er bundesweit sein Wissen in den Bereichen Kinderschutz, Prävention und insbesondere seine Expertise in Umgangsangelegenheiten sowie Trennungsbegleitung.